

Das Biest ist wieder auf dem Markt
Das wohl irrste Auto der Welt ist wieder zu haben. “The Beast” hat einen 27-Liter-Flugzeugmotor an Bord und eine Geschichte, die klingt wie ein Roman über Wahnsinn, Wut und britischen Humor. Am 29. November kommt “The Beast” unter den Hammer.
Das automobile Frankenstein-Projekt begann 1966 in einer Garage in England. Der Ingenieur Paul Jameson beschloss, ein Chassis aus Kastenträgern zu basteln und eine Jaguar-Mark-10-Hinterradaufhängung daran zu hängen. In der Mitte pflanzte er einen 27-Liter-Rolls-Royce-Meteor-Motor aus einem Kampfpanzer. Der «Jameson Mk1», wie er das Ungetüm nannte, nutzte eine Frontpartie aus Wolseley-6/99-Teilen, Sitze aus einem Lotus Elan und eine Windschutzscheibe aus einem Jensen FF. Nur die Kupplung und das Getriebe bereiteten ihm Kopfzerbrechen – bis Jameson auf John Dodd traf, einen Spezialisten für Automatikgetriebe und bekennenden Rolls-Royce-Fan aus Surrey. Dodd baute das passende Getriebe – und kaufte Jameson schliesslich das ganze Projekt ab. Was als technisches Experiment begann, wurde zu Dodds Lebenswerk.

Phoenix aus der Asche
John Dodd liess anfangs der 1970er Jahre das Auto von «Fibr Glass Repairs» veredeln, den Dragster-Spezialisten, die auch den Santa Pod Raceway betrieben. Die neue Karosserie bekam die Proportionen aus einem Science-Fiction-Film und einen Rolls-Royce Corniche-Kühlergrill, inklusive der «Spirit of Ecstasy». Das Fahrzeug wurde damals tatsächlich als Rolls-Royce mit 27-Liter-Motor zugelassen – sehr zum Missfallen der feinen Herren in Goodwood.

In dieser ersten Version (Mk I) sah «The Beast» noch aus wie ein aufgeblasener roter Ford Torino. Doch auf einer Rückfahrt aus Schweden fing das Auto Feuer und brannte aus. Dodd überlebte, kassierte die Versicherung und begann sofort mit dem Wiederaufbau. Diesmal setzte er auf einen 27-Liter-Merlin-V12 aus einem Trainingsflugzeug – und formte das Biest neu: Shooting-Brake-Look, acht Scheinwerfer, Rückleuchten vom Capri, Austin-Westminster-Vorderachse, Jaguar-XJ12-Hinterachse und ein GM-Turbo-400-Dreigang-Automatikgetriebe.

Rolls-Royce gegen das Monster
Doch Rolls-Royce war ausser sich, weil das Auto als «Rolls-Royce» eingetragen war. Der Streit eskalierte. Dodd spottete öffentlich über die Marke und erzählte sogar, er habe in Deutschland einen Porsche samt adeliger Besatzung überholt – nur um danach selbst bei Rolls-Royce anzurufen und sich als der «Baron» auszugeben, der nach dem Modell fragte. Die Geschichte war frei erfunden, aber herrlich britisch.

Als Rolls-Royce ihn vor Gericht zerrte, flüchtete Dodd mit seinem Biest nach Spanien – an die Costa del Sol, damals berüchtigt als «Costa del Crime», weil Grossbritannien und Spanien kein Auslieferungsabkommen hatten. Dort betrieb er eine Werkstatt und entwickelte «The Beast» immer weiter. Der Rolls-Grill wich einem mit den Initialen «JD», ebenso das Holzlenkrad.
Das stärkste Auto der Welt
1977 wurde «The Beast» offiziell ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen – als das leistungsstärkste Auto der Welt. Dodd sprach von 950 PS, realistisch waren es wohl etwa 750 PS. Trotzdem: knapp 300 km/h Spitze, 27 Liter Hubraum, rund sechs Meter Länge – das Biest war purer Grössenwahn im Blechkleid. Bis zu seinem Tod im Dezember 2022 fuhr John Dodd das Auto selbst, stolz und unerschütterlich.
Wieder unter dem Hammer

Nun kehrt «The Beast» zurück – und zwar nicht auf die Strasse, sondern zur Auktion. Historics Auctioneers versteigert das Monster am 29. November in der Mercedes-Benz Welt in Brooklands.

Der neue Besitzer hat den Innenraum neu bezogen und das Auto zweifarbig in Metallic-Grau foliert. Der berühmte gelbe Lack liegt noch darunter, der 27-Liter-Motor brummt wie eh und je – und vorne glänzt wieder die «Spirit of Ecstasy». Sofern Rolls-Royce dies nicht unterbindet. Geschätzt wird der Preis auf 75’000 bis 100’000 Pfund – ein Schnäppchen für die lauteste Geschichtsstunde auf vier Rädern.





Foto: Historics Auctioneers


